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Kommentare zu Ausgabe 195/2022

»Diesen Krieg hätte man verhindern können«

Kommentare  

#4 Sinner Eberhard 2023-01-29 11:03
Eine Zusage „keine Osterweiterung der NATO“ gibt es schlicht nicht. Wiedervereinigtes D wurde schon im zwei-plus-4 Vertrag vom 12. 09. 1990 als Ganzes Mitglied der NATO. Damals gab es Warschauer Pakt und SU noch. Später entwickelten sich alle Warschauer Pakt Staaten nach Auflösung der SU durch Jelzin zu Republiken und gingen den Weg der Unabhängigkeit, angeführt von Havel, Walesa und anderen. Im Baltikum gab es die singende Revolution, die zur Unabhängigkeit führte. Auch die übrigen Sowjetrepubliken wurden unabhängige Staaten. Am 1. Dezember 1991 stimmten 90,3 % der Ukrainer für die Unabhängigkeit, Wahlbeteiligung 84,18%. Auch auf der Krim gab es eine Mehrheit von 67,5% f d Unabhängigkeit. In der NATO Russlandgrundakte vom 27. Mai 1997 hat Russland die freie Wahl der Mittel zur Gewährleistung der eigenen Sicherheit der Staaten anerkannt. Das war Ergebnis des Prozesses Partnership for Peace seit 1994. Dazu kommt das Memorandum von Budapest von 1994. Russland, UK und USA verpflichten sich gegenüber Belarus, Kasachstan, Ukraine „ Souveränität, Grenzen, Gewaltverbot zu achten“, wenn dies ihre Atomwaffen abgeben. Ja der Krieg wäre zu verhindern gewesen, wenn Putin nicht alle Verträge gebrochen hätte. Putin ruiniert gerade Russland militärisch, wirtschaftlich, politisch und moralisch. Dem Terror nach außen entspricht ein Terror nach innen. Ja, das gemeinsame europäische Haus ist die Lösung, aber nur auf Basis des Rechts und nicht der Gewalt.
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#3 Frieder Mendheim 2022-11-16 13:46
Ein "Hätte, wäre, wenn!" über Ursachen und Gründe zu Beginn des Interviews, das Lavieren mit dieser Ansicht bringt Wette meines Erachtens in die Nähe wenig angenehmer und friedlicher Teile der Gesellschaft. - Mir wurde immer wieder in den vergangenen 20 Jahren medial vermittelt, Russland würde aufrüsten, so wie übrigens jetzt China auch wieder, das offen mit Krieg gegen Taiwan droht, sagen Berichte und Kommentatoren in "Tagesschau" und Zeitungen. Aus dem Geschichtsunterricht folgernd weiß ich, dass es dabei nicht bleiben würde. Putin ist kommunistisch sozialisiert, hat gezeigt, dass es ihm immer wieder um Macht und nicht um echte Demokratie, beruhend auf individuellen Menschenrechten, geht. Müsste er denn unbedingt mit repressivem staatlichen Terror bis hin zu Mord und Krieg arbeiten? Ehemalige Ostblockländer hatten bereits kurz nach der Wende nichts anderes zu tun, als schnellstmöglich in NATO und EU zu "flüchten". Ebenso wie immer noch viele Menschen aus Russland, und eigentlich der ganzen Welt. Wie soll ich das als kleiner Mann alles einschätzen? Auch in meiner kleinen Welt, in Schule und Leben, habe ich die Erfahrung gemacht, dass manchen Menschen die Sprache der Vernunft und des guten Willen nicht in die Wiege gelegt wurde, bzw. dass sie diese nicht nicht gelernt haben zu verstehen. Ja, der Löwe kann friedlich neben dem Lamm leben, aber nur, wenn er angebunden ist. Pazifismus, auch christlicher, ist eine Utopie, die Realität ist anders. Erst das Paradies kann sie Wirklichkeit werden lassen. "Si vis pacem, para bellum" - aber dabei die Vernunft, noch besser, die christlich geprägte, nicht vergessen!
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#2 Christoph Ranzinger 2022-10-28 14:37
Leserkommentar von Edmund Marx (Sulzbach-Rosenberg)

Zunächst einmal bin ich genau dieser Meinung: »Diesen Krieg hätte man verhindern können«. Ich
finde es sehr wohltuend, mutig und auch überraschend, solch ein Interview in einer evangelischen
Online-Zeitung lesen zu können. Den verantwortlichen Redakteuren gebührt mein Respekt und
meine Dankbarkeit.
Prof. Wolfram Wette hat bereits auf die fehlende Analyse der Kriegsursachen, auf Vorgeschichte des
gegenwärtigen Ukrainekrieges und auf die politische Entwicklung des russischen Präsidenten Putin
hingewiesen. Im obigen Leserbrief betont Maximilian Köpl die tendenziöse Berichterstattung
unserer Mainstream-Medien zu dem Thema und fordert eine objektive Aufarbeitung des
schrecklichen Krieges. Dazu möchte ich kurz einen Beitrag leisten, der sich mit den Zuständen in
der Ukraine befasst.
Wie es um die Medien- und Meinungsfreiheit in der Ukraine, diesem angeblichen Hort der Freiheit,
Demokratie und Menschenrechte steht, erfahren wir nicht aus unseren Zeitungen, Fernseh- oder
Radionachrichten, sondern aus der neuesten Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne
Grenzen", die 180 Länder umfasst. Ja, die Ukraine steht auf dieser Liste genau auf Platz 106,
zwischen Gabun und Burundi. Kein Wunder, denn der ukrainische Präsident Selenskij hat „alle TV-
Sender per Dekret zusammen gelegt“ um eine einheitliche Informationspolitik zu ermöglichen,
heißt es da bei den „Reportern ohne Grenzen“. So kann man Mediendiktatur auch nennen. Früher
schon „gehörten vor allem die landesweiten Fernsehsender einflussreichen Politiker*innen oder
Oligarchen und waren Mittel im Kampf um wirtschaftliche und politische Macht. Zahlreiche
russische Medien und Internetseiten sind in der Ukraine verboten“ (Zitat: Reporter ohne Grenzen).
Vor kurzem wurden erst wieder drei missliebige TV-Sender geschlossen, zudem elf linke und
liberale politische Parteien verboten. Opposition in der Ukraine gibt es nicht mehr. Auf Wikipedia
können Sie nachlesen, dass die Mehrheit der ukrainischen Parlamentsabgeordneten irgendwelchen
Oligarchen verpflichtet ist. Selenskij selbst wurde von dem Medienmogul Kolomojskyj ins
Präsidentenamt „begleitet“.
Der Oligarchenstaat Ukraine liegt auch auf der Liste der weltweit korruptesten Länder von
„Transparency International“ auf dem unrühmlichen Platz 122, gleichauf mit Swasiland.
Gewerkschafter wie Jurij Botschenko, Anwälte wie Dimitri Tichonentschow und
Menschenrechtsaktivisten wie Dimitri Laserew wurden verhaftet, Oppositionelle wie Oleh
Kalaschnikow, Oles Busyna und eine Anzahl LokalreporterInnen ermordet. Es gab eine Reihe
dubioser Selbstmorde unter ukrainischen Dissidenten. Ende Juni hat der Parlamentsabgeordnete
Olexij Kowaljow einen Anschlag des ukrainischen Geheimdienstes nur knapp überlebt. Ich frage
mich, was in Kiew eigentlich demokratischer sein soll als in Moskau?
Ein anderer Aspekt ist die massive Landnahme (landgrabbing) westlicher Konzerne in der Ukraine
seit dem Maidanputsch von 2014, allen voran Monsanto, Cargill und DuPont. Laut Auskunft der
Bundesregierung ist bereits die Hälfte der ukrainischen Agrarflächen (17 Millionen Hektar) unter
Kontrolle in- und ausländischer Oligarchen. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und
Entwicklung (EBWE) habe hierfür Kredite an insgesamt 131 ukrainische und 55 internationale
Agroholdings vergeben.
Hunter Biden, Sohn von US-Präsident Joe Biden, ist beim größten, privaten, ukrainischen
Gasversorger Burisma, für 50 000 Dollar monatlich, zum Direktor aufgestiegen, obwohl er über
keinerlei Ausbildung und Erfahrung in der Energiewirtschaft verfügte.
Präsident Selenskij selbst hatte, wie die "Pandora Papers" zeigten, ein Millionenvermögen auf
Offshorekonten verborgen.
Die Ukraine hat nicht nur ein Oligarchen- sondern darüber hinaus auch ein ganz massives
Naziproblem. Schon der Maidanprotest stand am Ende unter der Herrschaft Svobodas und des
Rechten Sektors. Ein freigewählter Präsident wurde von Rechtsextremen gestürzt. Seitdem sind
unzählige Denkmäler des Faschistenführers, Hitler-Kollaborateurs und militanten Antisemiten
Stepan Bandera in allen größeren Städten aufgestellt worden. In der Geschichtsschreibung, im
Schulunterricht und in der Politik (z.B. Botschafter Melnyk) wird wieder positiv Bezug auf ihn
genommen, der faschistische Gruß der OUN "Slava Ukrainij" ist in der Ukraine wieder üblich und

wird sogar von Selenskij benutzt, der ja auch den Kommandeur des Rechten Sektors Dmitro
Kozjubailo im Parlament als „Helden der Ukraine“ auszeichnete, während die kommunistische Partei
und alle Embleme der SU verboten sind. Die Nazibataillone (Asov, Aidar), denen Amnesty
International, Human Rights Watch und der Hohe Kommissar der UN Kriegsverbrechen vorwerfen,
sind nicht etwa aufgelöst, sondern institutionalisiert worden und beziehen jetzt staatliche Gehälter. In
Lwiw treffen sich alljährlich die Veteranen der SS-Division Galizien am Denkmal ihres Helden. Da
es nicht mehr so viele von ihnen gibt, feiern heute meist junge Naziverehrer die Kollaboration mit
Hitler. Schöne Demokratie in der Ukraine! Zu alledem schweigen unsere PolitikerInnen und Medien
und tun so, als ob in der Ukraine „unsere Werte“ (was immer das sein soll im Kapitalismus)
verteidigt würden.
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#1 Christoph Ranzinger 2022-10-12 21:27
Kommentar von Maximilian Köpl ()

Für Freunde des Friedens sind es schlechte Zeiten. Unsere Medien berichten seit Monaten –
wenn überhaupt - ausgesprochen tendenziös über Ursachen und Vorgeschichte des
grauenhaften Geschehens in der Ukraine. In dieser Atmosphäre des Drucks der öffentlichen
bzw. veröffentlichten Meinung, die sich in ihrer absolut einseitigen Analyse auf die
Dämonisierung Russlands beschränkt, ist es sehr schwer, Menschen zu finden, die an einer
möglichst objektiven Aufarbeitung der Hintergründe und der lange zurückreichenden
Vorgeschichte des Konflikts interessiert und - trotz aller verständlicher Emotion - dazu bereit
sind.
Umso höher ist es zu bewerten, dass die Redaktion von „Begegnung und Gespräch“ einem
unvoreingenommenen Experten und Friedensforscher ein Forum bietet, und alleine schon die
Fragestellungen im Interview zeigen, dass eine Diskussion des Themenkreises „Ukraine-
Konflikt und Pazifismus“ auch weit oberhalb des Bildzeitungsniveaus geführt werden kann, das
heute unsere Medien dominiert. Man muss es leider so deutlich sagen.
Überaus beliebt sind dabei die Verächtlichmachung und Verspottung des Pazifismus und der
(leider nur noch wenigen unbeirrbaren) Pazifisten, gipfelnd in der böswilligen und geradezu
perversen Aussage, der „Pazifismus“ habe versagt. Wo bitte gab es in den letzten Jahrzehnten
denn eine „pazifistische“ Außenpolitik, die vorausschauend auf Konfliktvermeidung bedacht
gewesen wäre und als einzige den nun tobenden Krieg hätte verhindern können?
Herr Wette hat in seiner sachlichen und sehr fundierten Analyse das Versagen auch des
Westens, insbesondere die unrühmliche Rolle der absolut skrupellos agierenden USA, sehr
deutlich herausgearbeitet und einen Gegenpol zu den durch und durch heuchlerischen
Aussagen vieler unserer führenden Politiker und der meist willfährigen Medien gesetzt, die kein
Problem sehen bei der Lieferung von Waffen an noch so brutale und aggressive Diktaturen und
bei denen der Aufschrei ausblieb, als unser Verbündeter USA seinerzeit unter einem
herbeigelogenen Kriegsgrund einen verheerenden Angriffskrieg gegen den Irak führte. So
verdienen Wolfram Wettes Ausführungen ausdrücklich Zustimmung und hohes Lob.
Allen im Westen wie im Osten, die Christen sein wollen und unter dem Eindruck der
schrecklichen Bilder nun für Waffengewalt plädieren, sei zu bedenken gegeben, dass nur eine
Politik, die auf Verstehen der Sorgen und Ängste des Anderen und auf Schaffung von
gegenseitigem Vertrauen aufbaut, den Ansprüchen von Humanität und christlicher Ethik zu
100% gerecht wird. Um der Menschlichkeit willen, um des Vermeidens unermesslichen Leides
willen kann es hier keinen Kompromiss geben.
Naiv sollen sie also sein, die Pazifisten, und die jesuanische Lehre zum wahren Frieden eine
Verhaltensanleitung fürs Märchenbuch. Aber sind wirklich die naiv, die Zug um Zug ganz
einfach umzusetzende vertrauensbildende Maßnahmen befürworten, die ja keineswegs mit
Preisgabe der eigenen Interessen einhergehen, oder nicht vielmehr jene, die zur eigenen
vermeintlichen Sicherheit auf Waffengewalt und Abschreckung setzen, obwohl dieses
Paradigma am laufenden Band scheitert und fast immer in schrecklichen Katastrophen endet?
Wer hier – im warmen und sicheren Stübchen sitzend - angesichts von Verdun, Stalingrad und
Hiroshima sogar noch davon faselt, dass es Schlimmeres gebe als Krieg, hat vom Grauen des
Krieges wohl keine Vorstellung und verhöhnt durch diese Relativierung letztlich noch die Opfer
dieses abscheulichen Phänomens Krieg, von dem sich eine emotional aufgewühlte und
zweifellos manipulierbare und manipulierte Menschheit anscheinend nicht trennen will.

Noch gibt es Menschen guten Willens, die diese Tragödie begreifen und eines unserer
höchsten Güter, den Frieden, nicht der Gewalt von Waffen überlassen wollen und jede
kriegerische Auseinandersetzung als Zivilisationsschande und absolutes Versagen der Politik
erkennen. Sogar jetzt, inmitten all des angerichteten entsetzlichen Leids auf allen Seiten, kann
nur eine auf umgehenden Waffenstillstand und auf das Bauen von Brücken gerichtete Politik als
einzige zivilisierte Alternative zur Fortsetzung des Zerstörens, Verletzens und Mordens gesehen
werden. Wir diskutieren hier in „Begegnung und Gespräch“: Ist denn Begegnung und Gespräch
nicht genau das, was man den Kriegsparteien als allernächste Schritte nur dringendst
empfehlen kann?

Maximilian Köpl
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